Hart aber fair: Pfalztrail

Mit fortgeschrittenem Alter wächst die Versuchung, einmal etwas Neues auszuprobieren. Der Pfalztrail im Leininger Land hat einen guten Ruf: die Landschaft ist schön; es gibt Laub- und Kiefernwälder, hübsche Städtchen mit Burgen und mittelalterlichen Klosteranlagen, bizarre Sandsteinfelsgebilde und herrliche Aussichten über die Weinberge der nördlichen Weintraße und die Rheinebene bis hin zum Odenwald. Also nix wie hin. Mit Marie-Jo und Isi finden sich rasch Mittäter. So ist auch die Heimfahrt gesichert, falls der planmäßige Chauffeur krampft.

In der Pfalz angekommen, verschwindet die Nebelwand und bei blauem Himmel, Sonnenschein und moderaten Temperaturen sind die Wetterbedingungen optimal zum Laufen.

Zur Wahl steht ein Ultratrail mit 85,6 km und 244o Hm, ein Halftrail mit 32,7 km und 770 Hm, ein Quartertrail mit 16,8 km und 400 Hm, sowie ein Funtrail und einige Kurzstrecken für die reichlich vorhandene Dorfjugend. Der Ultratrail startet am frühen Morgen vor dem Aufstehen, kommt also für uns, ebenso wie der Funtrail, nicht in Frage.

Marie-Jo hat schon einige Trails gelaufen und entscheidet sich für den Quartertrail, wie auch Isi, der sich zum Ausprobieren des Traillaufens nicht überfordern will. Für mich (Otto) steht ein langer Lauf auf dem Trainingsplan. Also entscheide ich mich für den Halftrail, auch weil hier die landschaftlich schönsten Punkte angelaufen werden. Auch wenn die 400 bzw. die 770 Hm auf den ersten Blick nicht sehr dramatisch erscheinen, haben sie es auf Grund der Steilheit der Bergabschnitte in sich.

Traillaufen hat ganz andere Anforderungen als Straßenlauf: die richtige Laufgeschwindigkeit zu finden ist ungleich schwieriger, da man vom Höhenprofil permanent überrascht wird, und auch der Wegecharakter mit Wurzeln, Treppen, Spitzkehren und steilen Abschnitten hohe Anforderungen und Überraschungen bereit hält.

Marie-Jo freute sich über ihren 2. Platz in der W50 in 1:43:48. Als 21. von 131 Läuferinnen konnte sie sich gut in der ersten Hälfte des Feldes behaupten. Isi wurde 17. der M45 in 1:49:31.

Ich lief flott los und konnte die Strecke bis zur Halbmarathonmarke in der ersten Hälfte des Feldes genießen.

Aufden letzten 12 km, ab der Überquerung des „Toten Manns (hic!), hatte nicht nur ich zu kämpfen. Es gab kaum noch Läufer, die die Anstiege laufend bewältigen konnten und vermehrt standen Läufer (darunter auch ich) an der Strecke um Krämpfe wegzudehnen. Auch wenn viel gegangen wurde, konnte auf der letzten Meile der Schein gewahrt werden und der Zielbogen strahlend und laufend würdevoll durchquert werden, bevor es wieder ans Stretchen ging. Marie-Jos Bemerkung:“du siehst aber nicht sehr sportlich aus!“ streute Salz in meine Wunden. Obwohl ich auf dem letzten Teil etliche Läufer passieren lassen musste, war ich mit  Rang 135 von 210 Männern in 3:36:37 recht zufrieden. In der M70 gab es keine Konkurrenz. Der schnellste M65 kam 59 Minuten nach mir ins Ziel, der 2. der M 60 war 14 Min. länger unterwegs. Der Erste der M60 war unter denen, die mich auf den letzten Km eingesammelt hatten. Er brauchte 7 Min weniger. Gut fürdas Ego des alten Manns!

Fazit: Traillaufen ist etwas Besonderes. Mehr Exoten, Bärte, Tatoos, komische Mützen, Rucksäcke, viel Rücksichtnahme, Gelassenheit und Hilfsbereitschaft auf der Strecke. Die Organisation: Spitzenklasse. Es schien, als sei das ganze Dorf Hertlingshausen als Helfer engagiert und gut gelaunt bei der Sache. Vom Shuttelservice von und zu den Parkplätzen, der flotten Startunterlagenausgabe, der Gepäckaufbewahrung, dem Urkundenausdruck direkt nach Zieleinlauf, der heißen Dusche aus dem angenehmen Duschkontainer, der Verpflegung auf der Strecke (noch nie eine so umfangreiche Obst-, Kuchen-, Riegelauswahl, sogar kalte Pellkartoffeln mit Salz waren im Angebot, erlebt!) und im Ziel (tolle Kuchentheke und Rennwurst), alles war erste Sahne.