Ratgeber für Marathon Rookies oder wie setze ich meinen ersten Marathon in den Sand?
Du läufst mehr oder regelmäßig, bist gut drauf, und willst jetzt endlich deinen ersten Marathon laufen. Eigentlich kein Problem. Warum der erste Marathon meist schmerzt, oft abgebrochen wird oder in einer Zeit, die deinem Potential nicht entspricht, gefinished wird, will ich hier aus eigener schmerzlicher Erfahrung zu analysieren versuchen.
1. Du hast keinen Plan
a) Wenn du nicht weisst, wie schnell du die 42,195 km laufen kannst (wenn du entsprechend trainierst), kannst du dein Vorhaben vergessen. Nutze einen Zielzeitenrechner, um von deiner bereits erzielten 10 km-Geschwindigkeit, oder besser deiner HM- oder 30 km-Leistung, deine Marathonzielzeit hoch zu rechnen.
b) Die errechnete Zielzeit kannst du natürlich nicht erreichen, wenn du dir nicht einen Trainingsplan für diese Zielzeit besorgst, und nicht nach diesem trainierst.
2. Du hast kein Vertrauen in dich selbst
Wenn deine Leistungen auf den kürzeren Distanzen deiner Marathonzielzeit entsprechen und du die Vorgaben deines Trainingplanes durch viele lange Läufe und Tempoeinheiten erfolgreich abgearbeitet hast, kannst du, wenn du gesund bist und die Witterungsbedingungen stimmen, deine Zielzeit -verdammt noch mal- auch erreichen! Selbstzweifel werden unweigerlich vor oder während des Laufs kommen, sind aber kontraproduktiv und unbegründet. Der Kopf ist ebenso wichtig für deinen Erfolg wie die Beine. Lange, langsame Einheiten, die ohne die Aufnahme von Energie (Riegel / Gels) absolviert werden, trainieren nicht nur den Fettstoffwechsel, sondern stärken auch das Selbstvertrauen.
3. Du teilst dir dein Rennen falsch ein
Sobald du das Starttor durchlaufen hast, wirst du dazu neigen, den Verstand zu verlieren. Die Menge zieht dich mit und du rennst los als gelte es, einen 10 km Lauf zu gewinnen. Die Birne vollgepumpt mit Adrenalin, signalisiert dir, dass du ewig so weiter laufen kannst. Ist aber ein Irrtum! Spätestens nach 30 oder 35 km, zieht dich der Hammermann hinten am Trikot, weil deine Energiespeicher leer sind und sich in der Eile nicht mehr auffüllen lassen. Auf wenigen km ist die schnelle Zeit futsch und, falls du überhaupt das Ziel erreichst, wirst du in einer schier unterirdischen Zeit ankommen. Ein probates Gegenmittel gegen eine falsche Zeiteinteilung ist, sich konsequent an einen der Pacemaker (Zug- und Bremsläufer) dran zu hängen, die bei den größeren Marathons auf Zielzeiten in Viertelstundenintervallen eingesetzt werden.
4. Du vernachlässigst die Flüssigkeits- und Energiezufuhr während des Laufs
Selbst wenn der Marathon in der Antarktis stattfinden sollte, wirst du während des Laufs Unmengen an Wasser und Mineralstoffen durch Schwitzen verlieren. Wenn du diesen Verlust nicht konsequent auszugleichen versuchst, wirst du nicht nur dein Leistungvermögen, sondern möglicherweise dein Leben auf’s Spiel setzen. Bloß nicht warten, bis sich ein Durstgefühl einstellt, sondern bei jeder Verpflegungsstelle Wasser, besser noch, Isodrink, aufnehmen. Hochtrainierte Profis mögen einen moderat gelaufenen Marathon auch ohne Zufuhr von Energie absolvieren können. Du aber läufst an deiner Leistungsgrenze und musst versuchen, deine Speicher nie leer werden zu lassen, denn wenn erst dein Körper auf die Glycogenreserven zurückgreifen muss, lacht sich der Hammermann in’s Fäustchen. Es gibt sicher andere Strategien, aber bei mir hat es sich bewährt ab etwa km 8 alle 5km ein Energiegel ein zu werfen. Schlau ist es, das etwa einen halben km vor der nächsten Verpflegungsstelle zu tun, damit man das meist eklig schmeckende Zeug herunter spülen kann, um den lästigen Geschmack los zu werden. Ausserdem wird es zusammen mit Flüssigkeit besser resorbiert. Wichtig: welche Energiequelle du beim Marathon nutzen willst, soltest du vor dem Lauf auf Verträglichkeit testen. Die Gefahr besteht sonst nämlich, dass das Ganze in die Hose, im besten Fall in ein Dixiklo, geht.
5. Du verplemperst Zeit
Wenn du an jeder Verpflegungsstelle stehen bleibst , um dich zu erfrischen, vertrödelst du etwa 8 Minuten im Verlauf eines Marathons, die du einsparen würdest, wenn du geübt hättest, beim Trinken durch zu laufen. Jede Abweichung von der Ideallinie, bedeutet ein Mehr an Strecke und somit an Zeit und Energieaufwand. Trinke am Tag vor dem Marathon reichlich, aber sei während der letzten Stunde vor dem Marathon moderat bei der Flüssigkeitsaufnahme. Geh vor dem Lauf auf das Klo. Jeder Ausflug an den Baum kostet dich 2 Minuten Zeit. Binde deine Schuhe so, dass sie nicht aufgehen können (die Doppelschleife ist nicht ganz sicher). Das Binden offener Schnürsenkel kann richtig viel Zeit kosten und kann bei harter Muskulatur extrem schmerzhaft sein.
6. Du glaubst die Zuschauer unterhalten zu müssen
Sei dir bewusst, dass die meisten der “Fans” am Straßenrand nur zum Marathon kommen, weil sie eine Freakshow mit Sportlern am Rande des Zusammenbruchs sehen wollen. Ob du ihnen als Läufer zu winkst, Kinder abklatschst oder du sie mit Sprüchen zu unterhalten versuchst, ist ihnen völlig Schnuppe, kostet dich aber Konzentration und Energie. Das ist aber sicherlich die lässlichste unter den aufgeführten Marathonsünden und wenn DU daran Spaß hast, ist es sogar möglich, dass dich die Kommunikation mit den Fans beflügelt. Mir hilft es zum Beispiel ungemein, im letzten Drittel des Laufs laut schmutzige Lieder zu singen, um mir zu beweisen, dass ich noch gut bei Puste bin.
Ich wünsche allen unseren Marathondebutanten viel Spaß und Erfolg bei eurer Marathonpremiere!