Was dem Einen sein Marseille, ist dem Anderen sein Nizza.
Julian Schepp berichtet über seinen IronMan Start an der cote d’azure
Ich möchte 2017 wieder auf einem Ironman Rennen starten. Nur welches? Dann die Vorbereitung… Wie umfangreich? Na gut nach Abschluss der Abendschule wollte ich die endlich freigeschaufelte Zeit nutzen. Also standen ca. 550 h oder in Kilometern SWIM 180, BIKE 10.000 und RUN 1650 auf dem Trainingsplan. Dazu noch Ernährung, Stabi- und Krafttraining sowie Stretching. Ja sogar Yoga gab es ab und zu.
Nochmal Frankfurt, Roth oder vielleicht Hamburg… ? Dass es bei dem Aufwand kein deutsches Rennen werden sollte, war mir schnell klar. Nur welches wäre das Richtige?
– Bolton GB?.. Zu kalt und schwierige Anreise
– Kopenhagen DK?.. Mega windig und mir persönlich zu flach
– Übersee ?.. Mega teuer und aufwändig
Schließlich fiel die Wahl auf Nizza an der Côte d’Azur F. IRONMAN bewirbt sein Rennen in Nizza als schönstes Rennen von Europa und auch als eines der härtesten Rennen weltweit nach Hawaii und Lanzarote. Das sollte ich auch noch zu spüren bekommen… dazu aber später mehr.
Direkt nach Frankfurt meldete ich mich an… Dann der große Schock am 14.Juli 2016. Ein Attentäter raste mit einem LKW in ein Fest auf der Promenade des Anglais und tötete unzählige Menschen. Nizza verhängte vor Angst aus Nachahmern und aus Respekt vor den Opfern eine einjährige Großveranstaltungssperre. Lange stand somit der für den 20. Juni geplante Ironman auf der Kippe. Im Oktober begann ich mit meinem Trainingsplan in der Hoffnung mich nicht ummelden zu müssen. Mitte November gab die Stadt Nizza und Ironman zusammen das neue Datum bekannt. Der 23. Juli 2017 sollte es werden. Es wird heiß wurde mir klar, aber ich freute mich dennoch auf das Rennen und buchte schon mal die Ferienwohnung.
Als kleines Bonbon würde ich die Tour de France besuchen können, die in der gleichen Woche in den Alpen die finalen Bergetappen fahren würde.
Der ganze Urlaub nahm nun Form an und auch das Training lief wie erwartet. Der erste Formtest fand dann auf der Hessenmeisterschaft statt, die im Rahmen der Mitteldistanz des Moret Triathlon ausgetragen wurde. Auch der Marathon Marburg lief besser als erwartet und attestierte mir eine gute Form.
Endlich war nun auch die Rennwoche da. Nach 14 Stunden Autofahrt erreichten wir das sonnige Nizza. Die Großstadt mit mediterranem Flair, 5 KM langem traumhaftem Steinstrand und engen Altstadtgässchen lädt zum Flanieren und Sonnen ein und ist definitiv eine Reise wert.
Nach dem einem Willkommenslauf auf der Promenade des Anglais stand nur noch eine Einheit auf dem Programm: den entscheidenden Teil der Ironmanstrecke abzufahren (und zu genießen)
Zur Strecke: Die Strecke führt 20 KM flach in die Voralpen. Nach einem knackigen Anstieg hoch ins Dörfchen Gattiéres führt einen der Kurs leicht ansteigend in die Berge bis zum Fuß des Col de I’Ecre. Der fast 20 KM lange Anstieg mit 950 HM und einer durchschnittlichen Steigung von 6 % fordert seinen Tribut. Dafür ist die Landschaft beeindruckend und der Ausblick bis auf Nizza und das Meer malerisch. Oben auf 1120 HM angekommen zieht sich der Kurs erst flach, dann mit lang gezogenen Abfahrten durch die Hochebene nach Gréolières. Das malerische Bergdörfchen liegt am Fuße der Côte Saint-Pons die mit der Côte de Coursegoules zusammen den zweiten harten Anstieg bildet. Spätestes hier zeigt sich, wer gut mit seinen Kräften gehaushaltet hat. Jetzt wird man mit schnellen Abfahren, traumhaften Bergstraßen und dem Ausblick auf das immer näher kommenden Nizza belohnt.
Am Donnerstag besuchten wir das Örtchen Barcelonnette in den Alpen und fieberten bei ausgelassener Stimmung den Profis entgegen. Was für eine Stimmung für 36 Sek. Zirkus! Mit dieser Stimmung im Herz ging es in das Ironman Wochenende.
Der Ironman Zirkus begann mit einem Lauf am Freitag, organisiert von Compressport, wo auch viele Profis zugegen waren. Hier wurde die Laufstrecke schon mal erkundet. Diese zieht sich auf den gesamten 5 KM der Promenade des Anglais bis zum Flughafen und lässt ständig einen Blick auf Meer zu. Hier fiel eine Gratis Kappe ab, die ich mir vom 2013 Hawaii Sieger und 3-maligen Nizza Champion Frederik Van Lierde signieren ließ. Nach dem Entgegennehmen der Startunterlagen ging es auf die Pasta Party und Wettkampfbesprechung. Am Samstag Morgen lud ebenfalls wieder Compressport zum gemeinsamen Schwimmen im Meer ein. Auch hier war die Stimmung hervorragend und es gab einige Geschenke zum abstauben. Mittags legten wir uns an den Strand um den Kopf nochmal maximal zu entspannen. Hier kam die Überraschung!!! Frank Carl, Björn Stingl, Sarah Haustein und Sandra Schubert standen mit Koffer plötzlich hinter meinem Badehandtuch! Na dann kann der Ironman ja kommen! Die team-naunheim.de Fanmeile steht! Selbst im 1000 KM entfernten Nizza !
Nach dem Check-In am späten Samstag Nachmittag wurde ich dann langsam nervös. Umso schöner ständig irgendwelche Nachrichten mit aufbauenden Inhalt zu bekommen.
Um 4:30 klingelte schließlich der Wecker. Oh mon dieu! It’s Raceday.
Die Stimmung und der Trouble vor dem Start sind mit das Beste an einem Ironman Rennen. Es liegt ein unvergleichliches Knistern in der Luft. Vor dem Start wurde an die Opfer des Anschlages gedacht und die Nationalhymne angestimmt. Gänsehaut! Es kann endlich los gehen!
Der Startschuss fällt und nach 3 endlosen Minuten verschlingt mich die See. Das Schwimmen war grandios! Das azurblaue Wasser, der Sonnenaufgang und der Sound von 4000 Armen im Wasser… Geil! Nach 1:08:03 verließ ich das Meer mit etwas bappigem Mund vom Salzwasser aber sehr zufrieden mit meiner Schwimmzeit.
Die ersten KM auf dem Rad liefen gut. Leider hatte ich bis KM80 mit Magenkrämpfen zu kämpfen, die aber weniger wurden. Ein Höhepunkt auf der Strecke war das Örtchen Gourdon, welches auf der Hälfte zur Spitze des Col de I’Ecre liegt. Hier war ein Hotspot von Zuschauern, welche durch Allez Rufe und der bekannten Le Tour Hupe Bergetappenfeeling aufkommen ließen. Das Radfahren fühlte sich allgemein sehr gut an. Jedoch war es recht windig und schon früh sehr heiß. Bei der Abfahrt und den letzten 20 KM Zeitfahren konnte ich zwar einige Plätze gut machen, aber ich wusste dort schon, dass es für meine angepeilte Top 50 Radzeit nicht reichen würde. Nach 5:37:35 stieg ich vom Rad und ging auf die Marathon Strecke. Die Mittagssonne brannte unnachgiebig vom Himmel und der harte Radkurs forderte seinen Tribut. Ich verwarf meine Taktik und ließ meine Beine übernehmen. Nach 10 KM in über 30 Grad, keinem Schatten und Asphaltgeruch in der Nase wünschte ich mich ins kalte Bolton GB? Die Gedanken beschränkten sich auf die nächste Dusche und Cola am Verpflegungsstand, die team-naunheim.de Fanmeile und das nächste Rundenbändchen. Irgendwie schaffte ich es, die Beine bis zum Schluss fliegen zu lassen und meinen neu angepassten Schnitt von 4:55er + Verpflegungspausen bis zum Schluss halten. Nach einem 3:29:59 h Marathon erreichte ich schwankend den Zielkorridor, sah alle meine Ironfans und hörte endlich die vier erlösenden Worte: „YOU ARE AN IRONMAN“.
Dieser Wettkampf hat mich mental und körperlich an die Grenze getrieben und ich bin mit meinem Ergebnis mehr als zufrieden. Ich habe eine deutliche Top100 auf einem Ironman und dem 47 schnellsten Marathon mit Profis erreicht, auch wenn es für meine angepeilte sub 10 h in Nizza nicht gereicht hat. Ein Highlight nah dem Rennen war der Zieleinlauf der letzten Athleten mit anschießender Nationalhymne. Das letzt mal Gänsehaut in Nizza.
Dies war mit Sicherheit nicht die letzte Langdistanz! Nach dem Rennen zeigte sich der größte Vorteil vom Rennen in Nizza… Den nächsten Tag humpelt man an den Strand, streckt sich mit einem Grinsen auf seinem Strandtuch aus und genießt ein Eis an der Côte d’Azur. Schöner kann Regeneration nicht sein.
Vive le Ironman Nice F!