Marathon Deutsche Weinstraße: ein Selbstversuch

Das Team-Projekt Marathon des Cotes du Rhone steht in den Startlöchern. In Südfrankreich werden wir durch Weinberge laufen und mit den besonderen Versuchungen an den Verpflegungsständen umgehen müssen. Anlass für ein Expeditionsteam vom Team, sich beim deutschen Pendent der weinseligen Veranstaltung, dem Marathon Deutsche Weinstraße, einem wissenschaftlichen Selbstversuch zu unterziehen. Die Fragestellung: wie verhält sich ein durchschnittlicher Drachenläufer im Spannungsfeld zwischen Leistungsambition und önologischer Herausforderung?

Als Versuchspersonen standen je zwei weibliche (Marie-Jo und Ilona)und männliche Probanden (Thomas S. und Andi) zur Verfügung, die auf der bereits kurz nach Öffnung des Anmeldeportals ausgebuchten Halbmarathonstrecke ihren Test absolvierten. Diese Testgruppe sollte zudem für die erweiterte Fragestellung herangezogen werden, wie sich ein Wein-und Wellness-bezogenes Rahmenprogramm im Vorfeld des Laufs auf die Laufambitionierung auswirkt. Eine weitere Testgruppe untersuchte die Fragestellung unter besonderer Berücksichtigung fortgeschrittenen Alters über die volle Marathondistanz, wobei allerdings die ersten 20 km von Testperson 1 (Thomas H) und die übrigen 22,2 km von Testperson 2 (Otto) gelaufen wurden. Duomarathon nennt man das.

Der Marathon Deutsche Weinstrasse findet nur alle zwei Jahre statt und bietet knapp 3000 Startplätze. Besonders beliebt ist der Halbmarathon mit rund 1500 Finishern, da man relativ schnell wieder am Veranstaltungsgelände in Bockenheim ist, wo Kaffee, Kuchen, Brezeln und Pfälzer Wein auf Feierbiester warten. 800 Startplätze stehen für Marathonies zur Verfügung. Damit diese sich auf der langen Strecke nicht einsam vorkommen, wurden jetzt zum zweiten mal knapp dreihundert Duomarathonstaffeln zugelassen. Der Lauf startet und endet unter dem Deutschen Weintor in Bockenheim. Nach ca. 10 km verlassen die Halbmarathonies bei Kleinkarlbach die gemeinsame Strecke und werden in einer Schleife durch die Weinberge (Hanglage) bei Sausenheim wieder auf die gemeinsame Strecke zurück nach Bockenheim geführt. Die Marathonstrecke führt am Ostrand des Pfälzer Waldes nach Bad Dürkheim, wobei sie mehrere Ortschaften passiert, die das Attribut “am Berg” im Ortsnamen enthalten. Insgesamt sind beim Marathon knapp 500 Hm zu bewältigen, die sich etwa gleich auf die beiden Teilstrecken des Duomarathons verteilen. Bestzeiten sind hier eher nicht zu erwarten, aber eine traumhaft schöne Strecke durch Weingärten, blühende Obstanlagen und schnuckelige Winzerdörfchen. Nach 20 km passieren die Marathonies den Marktplatz des schmucken Kurstädtchens Bad Dürkheim und lassen sich, einzeln vom Moderator vorgestellt, kräftig feiern. Für die Duoläufer Teil 1 ist hier der Lauf zu Ende und die Läufer von Teil 2 werden auf ihren 22,2 km langen Streckenabschnitt geschickt. Nach einem Schlenker durch den hübschen Kurpark mit Hindernislauf um Rollatoren und Kinderwagen und den Ortsrand von Dürkheim biegt der Kurs in Ungstein auf die für den Fahrzeugverkehr gesperrte Deutsche Weinstaße ab, der er bis auf wenige km über Kallstadt, Herxheim am Berg, Kirchheim und Grünstadt bis zum Ziel folgt. Am Ortsausgang von Grünstadt sieht man, dass sich hinter Asselheim die Läuferkarawane einen ewig langen Weg geradeaus den Berg empor zieht. Zwischen km 39 und km 41 heißt es daher noch einmal alles zu geben, bevor man Bockenheim erreicht und vor dem Publikum am Zielbogen versuchen kann so tun, als ob man gerade ein lockeres Läufchen zum Abschluß bringen würde.

Foto:A. Arndt                                                                                                Foto: A. Arndt: durch dörfliche Idylle

Duoläufer warten auf Sonderzug                   erster Marathonie passiert die Wechselzone

Zur Schönheit der Landschaft passte die Schönheit des Wetters. Der April hatte innerhalb einer Woche vom Winter-  auf den Frühsommermodus umgeschaltet, was die Läufer kräftig zum Schwitzen brachte. Die Veranstalter hatten mit reichlich Versorgungsstationen vorgesorgt. Auf langen Tischreihen waren Eigenverpflegung, Wasser pur, H2O mit CO2, Iso, Apfelsaftschorle und Cola aufgebaut. Dazu gab es reiche Auswahl an Apfelspalten, Bananen, Riegel, gelegentlich auch Saumagen, und die für den Weinstraßenlauf typischen Rieslingschwämme (der Verfasser fischte nach dem Lauf 6 dieser Schwämme aus dem Läuferleibchen, mit denen er versucht hatte, die Körpertemperatur zu regulieren). Ja, und dann gab es noch jeweils einen Tisch mit Riesling , der Pfälzer ist schließlich von Hause aus ein gastfreundlicher Mensch!

Kommen wir zurück zum wissenschaftlichen Teil der Expedition. Die Frage in wie fern das Vorprogramm Einfluss auf den Erfolg einer Laufreise hat, muss leider unbeantwortet bleiben, da die Probanden aus Datenschutzgründen Aussagen verweigerten. Lediglich ein Fotodokument, das ein mit Geldscheinen vollgetopftes Stiletto zeigt, lässt Rückschlüsse auf das Etablissement, in dem die Probanden den Vorabend verbracht hatten, zu.

Die läuferischen Ergebnisse zusammen gefasst: Marie-Jo kam nach Anlaufschwierigkeiten im Verlauf des Rennens immer besser in Schwung, holte schließlich die anderen Probanden ein und über und erreichte in 2:05:53 das Ziel. Thomas Schmidt (2:09:58), Andi Deg (2:11:52) und Ilona Seifert (2;13:07) folgten in kurzen Abständen. Über die Verweildauer bei den Rieslingständen auf der Strecke liegen keine verlässlichen Informationen von. Evident war jedoch, dass die Versuchpersonen beim Eintreffen der Duomarathonies auf dem Festgelände sich höchst gut gelaunt bei frisch ausgeschenktem Pfalzwein vergnügten. Das Laufergebnis dürfte am fröhlichen Gehabe nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Der Duomarathon entwickelte sozusagen eine Eigendynamik. Läufer Nr. 1 wurde vom Ehrgeiz überwältigt und übergab das Staffelbändchen nach 1:36:35. Läufer 2 wollte die gute Zeit von Läufer 1 nicht total versauen und gab ebenfalls sein Bestmögliches ohne Aufnahme von alkoholischen Getränken. Für die 22,2 km Reststrecke wurden 1:58:22 benötigt. Die Staffel Team-Naunheim Feder&Weiser brauchte für den Marathon gemeinsam 3:34:56, was Platz 41 von 264 gefinishten Teams bedeutete. Versuchsergebnis: ohne Wein war die läuferische Leistung wohl besser als sie es mit gewesen wäre. Ob das Vergnügen unter Alkohol größer gewesen wäre, konnte nicht verifiziert werden. Dass die Pfälzer guten Wein produzieren konnte auch nach dem Lauf getestet werden.

Das Experiment kann fortgesetzt werden. Der Trollinger Marathon in Heilbronn und der Ahrathlon in Bad Neuenahr bieten weitere Gelegenheiten zum Selbstversuch. Für das Marathonprojekt Wetzlar goes Avignon scheint die vorläufige Arbeitshypothese gültig zu sein: Wein und Laufen schließen sich nicht aus, wobei die Reihenfolge eine nicht unerhebliche Rolle spielen dürfte.

vorher                                                nachher