2 Jahre jung und schon (ziemlich) erwachsen, der Wetzlarer Drachentrail
Als Veranstalter eines Events gleich welcher Art muss man von den Erwartungen, Wünschen und Bedürfnissen der Zielgruppe her denken und planen. Trailrunner sind, wie man in Hessen so sagt, „e bissi extra“. Sonst würden sie wandern, im Kreis herum rennen oder ihre sportliche Erfüllung beim Lauf auf Asphalt zwischen Häuserschluchten suchen. Wir haben versucht, die Psyche der Trailrunner zu verstehen und Konsequenzen für unseren Drachentrail daraus zu ziehen.
These 1: Trailrunner sind Masochisten.
Sie suchen extreme Herausforderungen, wollen ihre physischen und mentalen Grenzen ausloten. Wenn der Kunde Masochist ist muss der Veranstalter als Sadist denken und ihm Herausforderungen bieten was Distanz, Höhenmeter, Bodenzustand und Hindernisse angeht. Richtig extreme Herausforderungen finden sich im alpinen Gelände, aber die Mehrzahl der Trailies lebt im Flachland oder im Mittelgebirge und braucht Trainingsmöglichkeiten und Trailevents auch ausserhalb der Hochgebirge.
Wir haben auf den Drachentrailstrecken 500 Hm auf 19 km und fast 1000 Hm auf 35 km im ständigen Auf und Ab. Da kann man als Masochist schon auf seine Kosten kommen. Wurzeln, Steinbrocken, umgestürzte Bäume, Bachüberquerungen und tiefgründige, matschige Wege? Da schlägt das Masochistenherz höher. Wir haben sie bei uns gefunden und in unsere Strecken integriert.
Bei allem Masochismus, gibt es eine Herausforderung, auf die Trailrunner höchst allergisch reagieren: wenn man sich durch schlechte Streckenmarkierung unverhofft im Nigendwo wiederfindet. Die Streckenauszeichnung mit Kreidespray, Fähnchen und Schildern, sowie die GPS-Tracks waren beim 2. Drachentrail eindeutig und es gab keine Klagen.
These 2: Trailrunner sind Ästheten und als solche Natur-, Landschafts- und manchmal auch Kulturgenießer
Bitteschön: da können wir doch locker mitbieten, obwohl unser Mittelhessen nur bei Insidern zu den bekannten Ausflugszielen zählt. Wir haben romantische Wiesentäler, tiefe Laubwälder, herrliche Ausblicke über das Gleiberger Land bis hin zum Vogelsberg, und wir haben von den Drachenstrecken aus das Rothaargebirge, den Westerwald und den Taunus im Blick. Schmucke Dörfer haben wir auch und sogar drei Burgen, auch wenn man von einer nur noch die Ringwallanlagen erkennt, durch die man aber herrlich rennen kann.
These 3: Trailrunner sind Hedonisten
Obwohl oder gerade weil Trailrunner meist wie Hungerhaken wirken, sind die wenigsten von ihnen gegen kulinarischen Versuchungen, vor, während und nach dem Lauf, resistent. Als Veranstalter soll man darauf achten, dass immer genügend zu Essen und zu Trinken vorhanden ist. Kommt dann noch Tafelmusik ins Spiel gilt ein Trailevent als gelungen. Es scheint, dass man mit unserer abwechslungsreichen Streckenverpflegung mit Alphornmusik, der Afterwork Suppe und der Kuchentheke des Frauenchors zufrieden war. Natürlich ist der Hedonist mit einer gewissen Eitelkeit ausgestattet. Die Moderation und die persönliche Begrüßung im Ziel durch die Running Voices sind Balsam für die Seele für jeden Trailrunner, der die Strecke geschafft hat. Und natürlich möchte man möglichst bald informiert werden, wie schnell man unterwegs war. Da waren wir dank unserer genialen Zeitnehmer und der Nutzung von RaceResult wirklich gut. Die aktuellen Laufergebnisse waren schon auf die große Leinwand projeziert, wenn man in der Halle angekommen war. Das gibt es bei den großen Laufveranstaltungen in den seltensten Fällen. Gut für’s Ego ist natürlich auch, wenn man auf einen Fotoservice zurückgreifen kann, der in der Meldegebühr bereits integriert ist. Niklas Raffin und sein Team haben da tolle Arbeit geleistet. Und natürlich möchte man auch als Teilnehmer erfahren, was über den erlebten Lauf in der Presse geschrieben wurde: www.laufreport.de/bericht/0424/wetzlar-drachentrail.htm. Womit man einem Hedonisten schmeicheln kann sind attraktive Finishermedaillen zur Erinnerung und originelle Trophäen für die Erstplazierten. Auf Giveaways für den Mülleimer sollten wir auch in Zukunft verzichten. Über die Form der Siegerehrung, bei der die Altersklassen zu kurz kamen, sollte man noch einmal nachdenken. Auch, dass bei der Siegerehrung fast alle zu Ehrenden noch anwesend waren und die Halle noch recht gefüllt war, gibt Anlass zu der Vermutung, dass es unseren Gästenbei uns gefallen hat.
Etwas Statistik
Die insgesamt auf 300 Läuferinnen und Läufer limitierten Startplätze waren bereits vor Ablauf der Meldefrist komplett ausgebucht. Mit Schwund durch Krankheit, fehlender Fitness oder anderer Verpflichtungen am Veranstaltungstag muss man rechnen. Insgesamt hatten wir trotz, der praktischen Umbuchungsmöglichkeiten 246 Finisher plus einiger DNFs. Den fetten Drachen finishten 35 Frauen und 83 Männer, in Summe 118. Den hungrigen Drachen liefen 51 Frauen und 77 Männer, in Summe 128. Die weiteste Anreise hatte wohl der fette Drachenkönig Marcel Höche, der in Innsbruck lebt. Erstmals konnten wir Teilnehmer aus den Niederlanden begrüßen.
Die Ergebnisse
Fetter Drache
Marcel Höche, Adidas Terrex, ist der neue Drachenkönig der fetten Drachen beim 2. Wetzlarer Drachentrail. Marcel ist amtierender Deutscher Meister Skyrunning. Er hat nicht nur souverän vor dem Zweiten,Tim Dally aus Siegen die 35 km-Distanz mit 950 Hm gewonnen, sondern auch auf den zahlreichen Strava Segmenten die Latte hoch gehängt! Auf dem Foto von Jannes Moell ist Tim Marcel beim Steeple Chace auf der Wildsaupromenade noch dicht auf den Fersen. Dritter war der M45 Läufer Daniel Weiser, Team Sensemann. Es war uns eine Ehre und Freude diese Vorbilder bei unserer jungen Veranstaltung im Mittelhessischen Bergland begrüßen zu dürfen.
Königin der fetten Drachen beim 2. Wetzlarer Drachentrail wurde die Ultratrailläuferin Joanna Tallmann von den Selbstläufern Altenahr. Joanna lief nach den ersten 10 Männern die elftschnellste Zeit überhaupt auf der anspruchsvollen Strecke über 35 km mit 959 Hm. Mit einem Abstand von 13 Minuten folgte ihr ihre Vereinskollegin Franziska Schneider, die offensichtlich Spaß auf unseren Trails hatte, ebenfalls mit deutlichem Abstand vor den schnellsten Läuferinnen aus der Region Carolin Schermuly (714) vom LC Mengerkirchen und der Drachenkönigin des Vorjahres Jasmin König (679) vom LT Rossbachtal.
Hungriger Drache
Beim „hungrigen Drachen“ über 19 km mit 500 Hm verteidigte das Königspaar des Vorjahres ihre Regentschaft. Das schnelle Läuferpaar des TSV Krofdorf-Gleiberg, Orianne Eloise Perdrix und Johannes Sören Gärtner kam auch auf der modifizierten Strecke mit deutlich mehr Trailanteilen am besten zurecht.
Die Läuferinnen Friederike Hagedorn und Cynthia Morawietz, beide LGV Marathon Gießen, liefen einträchtlich zeitgleich durch den Zielbogen und teilten sich die Plätze 2 und 3.
Knapp 6 Minuten auf Johannes Sören begrüßten die Running Voices den schnellsten M30-Läufer Maximilian Kruck aus Bad Schwalbach als zweithungrigsten Drachen im Ziel. Dritter wurde Ultraläufer Max Vor vom neu gegründeten Verein Laufen für’s Leben, der für das Trauerbegleitungsprojekt für Kinder „Charly und Lotte“ mit seinem 60 km Ultramarathon von der Dillquelle zur-Mündung in Wetzlar Spenden sammelt.
„Vereinsmeisterschaft“ Team-Naunheim
Ausser Konkurrenz fand die inoffizielle Trailrunning Vereinsmeisterschaft des ausrichtenden Vereins team-naunheim SPORT statt. Das eriträische Lauftalent Simon Mussie (435) lief auf der 19 Km Strecke trotz eines Verlaufers die schnellste Zeit des Tages gefolgt vom „Chef“ des OrgaTeams Tobias Rink (434) und Felix Janson. Lisa-Marie Menges (470) und Emely Moos (494), die gemeinsam mit Florian Seifart als Gruppe gelaufen waren, belegten die Plätze 1 und 2 vor der M60 Läuferin Bettina Zenelji. Einzige Läuferin des Teams auf der Strecke des fetten Drachen war Michaela Wolf.
Fazit
Die Resonanz auf den 2. Wetzlarer Drachentrail war von Seiten der Teilnehmer durchweg positiv. Die Verbesserungen zur Vorgängerveranstaltung wurden gut angenommen. Ein Lob an alle Teilnehmer: ihr wart rücksichtsvoll und fair. Die Strecken wurden ohne Müll hinterlassen. Die Eingriffe in den Naturraum tendierten gegen Null.
Auch der Verein als Veranstalter darf sich freuen. Es gab bis auf ein paar Kratzer keine Verletzten. Bei der Organisation gab es keine unreparierbaren Pannen. Wir sind für den 3. Drachentrail gut aufgestellt und freuen uns, unseren Gästen wieder eine schöne Veranstaltung anbieten zu dürfen.
Text: Jatsch Fotos: Niklas Raffin, Jannes Moell, König, Jatsch