Können wir Trail? Ein erster Rückblick auf ein Experiment

Können wir Trail?

Die Halle ist gekehrt, die Streckenmarkierung ist abgeräumt, das Adrenalin bei den Machern vom Orgateam und den fleißigen Helfern vom team-naunheim kommt wieder auf Normniveau. Zeit für eine erste vorläufige Bilanz.

Sportlich war der erste Trailwettkampf in Mittelhessen ein toller Erfolg. Niemand von uns hätte es sich träumen lassen, dass man den Fetten Drachen mit 35 km und 900 Höhenmetern bei schwierigen Bodenverhältnissen in 2 1/2 Stunden laufen kann. So kam es, dass die beiden Schnellsten unbemerkt über die Zielmatte liefen und als einzige Teilnehmer der Würdigung durch unser engagiertes Moderatorenduo Running Voices, Markus Bourcarde und Sven Schnitker, die in der Folge jeden Teilnehmer mit seinem Namen im Ziel begrüßten, entgingen.

Sieger war Wyatt Million aus Gießen in unglaublichen 2:31:22, dicht gefolgt von den in der Region bestens bekannten Tim Dally (Sport-Schneider-Team in 2:32:43) und Sven Gaul vom TSV Krofdorf-Gleiberg in 2:35:22. Schnellster Drache vom ausrichtenden Verein war Tobias Rink als 4. in 2:42:27. Auch bei den Damen lief die Ultraläuferin, Jasmin König vom LT Roßbachtal mit 3:13:31 der Konkurrenz davon. Die W 50-Läuferin Anne-Katrin Müller vom team-naunheim folgte ihr in 3:16:16. Sie kam allerdings bei ihrem ersten Trailwettkampf mit ihrem nagelneuen aber schlecht sitzenden Trailrucksack nicht zurecht, ließ ihn samt Inhalt bei einer Verpflegungsstation zurück , verstieß somit gegen die Regeln zur Mitführung der Pflichtausrüstung und kam nicht in die Wertung. Lea Hartmann von der VLG Eisenbach (3:21:15) und Sarah Meixner, Marathon-Club Menden (3:21:57) belegten die Plätze 2 und 3.

Auch beim hungrigen Drachen , der als Anfängertrail mit 19,5 km und 470 Höhenmeter für Trailnovizen vielleicht ein wenig zu ambitioniert war, gab es flotte Zeiten. Als Erster kam nach 1:15:44 der Naunheimer Eritreer Simon Mussi durch das Ziel. Allerdings hatte er, wohl auf Grund von Verständnisproblemen, bei seinem ersten Trail-Wettkampf sein Erste-Hilfe-Kit in der Halle liegen gelassen und auch die Strecke nicht hochgeladen. Weit in Führung liegend kam er an einer eigentlich gut ausgewiesenen Stelle von der Strecke ab und war am Ende etwa 300 m weniger gelaufen war als die Konkurrenz. Auch hier konnte keine Wertung der Zeit erfolgen. Simon nahm es sportlich und hat einmal mehr eine Lektion gelernt. So schmerzhaft es für die Disqualifizierten sein mochte, als Veranstalter müssen wir gleiches Recht für alle gelten lassen. Sieger wurde Johannes Sören Gärtner, TSV Krofdorf-Gleiberg in 1:22:24 vor der M50 Berglauflegende Robert Drobny, LC Diabü Eschenburg, in 1:25:56. Der 3. Platz ging ebenfalls mit Florian Duffner an einen Athleten vom TSV Krofdorf-Gleiberg in 1:29:33. Auch bei den Damen stand eine Athletin vom TSV Krofdorf-Gleiberg an der Spitze. Orianne Eloise Perdrix siegte in 1:38:26 vor der vereinslosen Kora Kühn (1:40:45), und Nicole Schaffland , Marathon-Club Menden (1:44:38).

Neben den schnellen Leistungstrailläufer besteht die Trail Community aus einer Vielzahl von Leuten, die Trailsport zwar auch zum Austesten der eigenen Leistungsfähigkeit betreiben, aber für die auch Landschaftsgenuss und das Kennenlernen neuer Trails, Landschaften und Menschen einen hohen Stellenwert hat. Auch diese Trailrunner genossen nahezu unisono nach den vorliegenden Rückmeldungen die beiden Strecken, mit dem Wechsel von weiten Ausblicken und langen Waldpassagen. Die für beide Trails gemeinsamen ersten 10 km haben zwar leider wenig typischen Trailcharakter weil hier Singeltrails fehlen. (ein vorgesehener Singletrail musste wegen des Einspruchs eines Anliegers gestrichen werden und die Strecke zwischen der Sporthalle durch die Felder bis zu den ersten trailtypischen Bergetappen ist leider eine unvermeidbare Durststrecke.). Dafür überzeugt im weiteren Verlauf die schöne Landschaft und das abwechslungsreiche Höhenprofil. Ab dem ersten Verpflegungspunkt hatten beide Trails alle Qualitäten, die man sich im Mittelgebirge wünschen kann. Besonders bei der Drei-Burgen-Runde, die für den fetten Drachen zusätzlich gelaufen wird, kann sich eigentlich niemand über einen Mangel an vielfältigen Single-Trail-Segmenten mit krassen Ups und Downs beschweren. Wir hatten die Startzeiten der beiden Strecken so gelegt, dass möglichst alle Teilnehmer gemeinsam in der Halle zum Suppe Essen und zur Siegerehrung sein konnten. Die gemeinsame Streckenführung ab den Blasbacher Räuberhöhlen empfand ein Teilnehmer als störend, weil sich das Feld aus langsamen und schnellen Läufern neu mischte. Den meisten Kommentaren ist zu entnehmen, dass hier kein Problem gesehen wird. Wir denken darüber nach. Eine Lösung wäre es, die Einsteigertrail-Strecke vom Fetten Drachen komplett zu entkoppeln, was aber einen enormen Mehraufwand bei der Streckenauszeichnung und zusätzliche VP’s zur Folge hätte, für die wir als kleiner Ausrichter eigentlich nicht die Kapazitäten haben.

Mit der Wahl des Termins lagen wir wohl richtig. Das Wetter war uns gut gesonnen, ermöglichte schöne Ausblicke in unsere oft unterschätzte, schöne Landschaft. Die Temperatur war zum Laufen ideal. Im April erwacht die Natur, das Grün sprießt und die Schwarzdorn- und die Kirschenblüte ist in vollem Gange. Auch die Regenfälle der Vorwochen nützten nicht nur der Natur, sondern sorgten auch zur Freude der Trailläufer für matschige Waldwege und viel Wasser auf den Wiesentrails.

In wenigen Fällen kam es zu Verläufern. Meistens hatten Kreide- und Sägemehlmarkierungen dem Dauerregen am Vortag nicht stand gehalten. Hier zeigte sich, dass bei einer Premiere leider nicht immer alles perfekt läuft. Wer Fehler macht scheitert oder lernt aus ihnen. Wir haben gelernt! Devise: noch mehr Fähnchen!

Was wir wohl können und was allgemein gelobt wurde ist die Organisation, das Engagement der Helfer und die Versorgung mit Läufernahrung. An drei Verpflegungsstellen an der Strecke und bei der Zielverpflegung konnten sich die Läufer*innen mit Flüssigkeit, Obst, Bauernbrot mit Kräuterfrischkäse oder Schmalz, Müsliriegeln und anderen gesunden und ungesunden Snacks versorgen. Wir hatten viel zu viel eingekauft. Besser zu viel als zu wenig! Nach dem Lauf gab es in der Halle Gemüsesuppe für Omnivoren und Vegetarier for free, die sehr gut bei unseren Gästen an kam. Zum Verkauf gab es leckeren Landfrauenkuchen von dem jungen Naunheimer Frauenchor Cantemus. In einer intakten Dorfgemeinschaft hilft man sich gegenseitig. Danke an das Küchenteam und die Sängerinnen! Attraktiv war auch der Informations- und Verkaufsstand vom Trailschuh- und Natural-Running Spezialisten Thomas Wagener, Laufstall Weilburg, der Auslaufmodelle zum Schnäppchenpreis und das neue Altra Sortiment zum Ausprobieren anbot. So konnten die Teilnehmer die Wartezeit bis zur Siegerehrung gut überbrücken.

Die Holztrophäen von Matthias und die Finishermedaillen, mit denen wir leider nicht alle Teilnehmer beglücken konnten, wurden gelobt.

Unsere größte Sorge war, dass es zu Unfällen bei den Straßenüberquerungen und auf den Trails kommen könnte. Mit großer Freude haben wir zur Kenntnis genommen, dass nur von wenigen Stürzen berichtet wurde. Zwei Teilnehmer stiegen unterwegs wegen Unwohlseins und wegen einer Fußgelenksverletzung aus, die aber keinen Einsatz unserer Sanitätsbereitschaft erforderlich machten. Wir wünschen eine rasche Erholung! Vielen Dank an das Team von den Maltesern, dass ihr uns den Rücken frei gehalten habt.

Dass eine zusätzliche Trailveranstaltung zu den beiden anderen in Hessen, auf gute Nachfrage stößt, lässt sich an Hand der Teilnehmerzahlen belegen. Wir möchten das Angebot ergänzen und sehen uns nicht in Konkurrenz zum Vulkan- und zum Hochrhön-Trail. Bei einer Limitierung der Teilnehmerzahlen auf 300 wären 100 angemeldete Sportler schon als Erfolg zu werten gewesen. Beim Schluss der online-Anmeldung waren 276 zu der Veranstaltung gemeldet. 70 Gemeldete stornierten ihre Buchung wegen gesundheitlicher Probleme. 36 kamen zur Nachmeldung. 242 finishten ihre Läufe. Viele Teilnehmer hatten aus den benachbarten Bundesländern NRW, Thüringen und Rheinland Pfalz gemeldet. Die weiteste Anreise hatten Sportler aus Hamburg und Salzburg. Der älteste Teilnehmer hat im Alter von 76 Jahren den hungrigen Drachen gefinished. Schon vor dem Start wurden wir darauf angesprochen wie sehr man sich auf die neue Veranstaltung gefreut hat. Diese Freude wurde auch nach dem Lauf immer wieder zum Ausdruck gebracht und viele Finisher kündigten an, wieder zu kommen, falls es zu einer Wiederholung käme.

Trailrunner machen die Welt ein bisschen besser. Bei der abschließenden Streckenbegehung mit Abräumung der Markierungen wurden außer Fußspuren im Matsch keinerlei Anzeichen, dass sich auf den Trailstrecken Menschen aufgehalten haben, gefunden. Keine ausgelutschten Gelkissen, keine Zellstofftaschentücher, noch nicht mal Zigarettenkippen (Bitte der Forstbehörde an uns, die Läufer darauf hinzuweisen, dass im Wald beim Laufen nicht geraucht werden soll!). Kein Fizzelchen Plastik, nix, nada! Die Sporthalle wurde wohl selten so sauber nach einer Veranstaltung mit 300 Menschen hinterlassen. Das Geschirr wurde zurück gebracht; das kennt man von manchem Volkslauf anders. Die Parade der verschmutzten Rennschuhe, die die Läufer vor dem Betreten vor der Halle freiwillig ausgezogen hatten war beeindruckend! Solche Gäste hat man gerne.

Wir wollten eine Veranstaltung von Läufern für Läufern machen. Wir haben kein Fachmagazin, keine Ausrüstungsfirma als Sponsor, keine Marketingfirma und keinen Tourismusverband, obwohl wir auch gerne Werbung für unsere Region machen, im Rücken. Unsere Absicht war eine Non-profit-Veranstaltung, bei der wir als Verein aber auch kein Geld zuschießen wollten. Moderate Preise sind so nur möglich mit großem Einsatz und Engagement der Macher. Unser Lohn ist die Zufriedenheit der Teilnehmer. Über positive Resonanz freuen wir uns, kritische Anmerkungen nehmen wir Ernst. Ob wir es gut gemacht haben, mögen unsere Gäste entscheiden. Die beste Werbung ist Mundpropaganda und wir freuen uns, wenn der Drachentrail auch Werbung für unseren Lahnparklauf am letzten Sonntag im August war und Freunde mitgebrancht werden.

Ob wir Fehler gemacht haben? Bestimmt! Bei einer Premiere ohne Generalprobe wäre es ein Wunder wenn dem nicht so wäre. Wir hoffen nur, dass unsere Gäste von unseren Defiziten nicht allzu viel mitbekommen haben. Perfekt wird man nie, aber wir bemühen uns besser zu werden. Das gilt auch für die Organisation, bei der es manchmal noch gequietscht hat, weil die Räder nicht immer in einander gegriffen haben. Aber auch da kann man dran arbeiten

Ergebnisse: https://my.raceresult.com/225149/results,

Professionelle Fotos von Jörg Theimer / Volkslaufbilder, kostenlos am besten als zip herunterladbar. Bei Veröffentlichung wird gebeten den Urheber zu nennen https://www.pictrs.com/team_naunheim/4401414/1-punkt-drachen-trail-run?l=de

Weitere Fotodateien werden wir in einer Teilnehmermail mitteilen

Ein neutraler Bericht von Helmut Serowy wird auf LaufReport zu lesen sein

Bericht: O.Jatsch Fotos: Volkslaufbilder Jörg Theimer, Ingo Gerlach